Rebekka ist endlich angekommen

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Im Wallmenrother Kindergarten ist Rebekka Henseler fester Bestandteil des Personals. Es war ein langer Weg bis dahin für die 28jährige mit Down Syndrom. Unterstützt von ihrer Mutter und der Lebenshilfe musste Rebekka lange dafür kämpfen. Aber es hat sich gelohnt. Für alle Seiten.

Kindergesang durchströmt den Flur: „Ja, wenn im Dorf die Bratkartoffeln blühen, wird alles wieder gut, wird alles wieder gut.“ Hand in Hand marschieren sie zum Bad, angeführt von der Erzieherin. Vor dem gemeinsamen Frühstück müssen die Hände sauber sein. Alltag im Kindergarten „Zauberwald“ in Wallmenroth.

Rebekka Henseler aber musste hart kämpfen, um Teil dieses Alltags zu werden. Auch sie hat sich mittlerweile der Knirpskette angeschlossen. Die 28jährige fällt mit ihren schwarzen kurzen Haaren und ihrer schmalen Statur von 1,50 Metern kaum auf. Menschen mit Down Syndrom sind oft kleiner geraten – und oft zu kurz gekommen. Deshalb ist es für Rebekka nicht einfach ein spaßiges Ritual. Die Anspannung wird erst später von ihr weichen – dann wenn sie ihre Aufgaben zufriedenstellend ausgeführt hat: Sie ist es nämlich, die das Frühstuck vorbereitet hat und servieren wird. Rebekka gehört genauso zum Personal wie die Erzieherinnen. Und sie erledigt nicht nur Küchenaufgaben. Mit den Kleinen puzzelt und malt sie oder liest ihnen aus Büchern vor. Und manchmal spielt sie für sie auch Lieder auf der Gitarre vor.

Sie scheint angekommen zu sein. Endlich. Dafür musste Rebekka kämpfen. Und ihre Mutter musste für sie kämpfen. Denn im Leben bekommst Du als Kind mit Down Syndrom nichts geschenkt. Besonders nicht in den Achtzigern. Die Inklusionspädagogik wird sich erst ein Jahrzehnt später etablieren. Trotzdem setzte sich Bettina U. (Name von der Redaktion geändert) dafür ein, dass ihr behindertes Kind den örtlichen Kindergarten in Alsdorf besuchen darf, wie die Mutter im Gespräch in ihrem Esszimmer erzählt. Rebekka war die einzige mit Trisomie 21, hatte aber Glück. Die Erzieherin war sehr fürsorglich. Normalerweise hätte Rebekka nach dem Kindergarten die Sonderschule besucht. Aber nicht mit Bettina U.: „Ich rührte kräftig die Werbetrommel für Rebekka, damit sie auf eine normale Grundschule kann.“ Und ihr Werbefeldzug war erfolgreich. Ihre Tochter durfte die neu eingeführte Integrationsklasse der Grundschule in Bruche besuchen. Mit zwei anderen beeinträchtigten Kindern wurde sie nun zusammen mit „normalen“ Gleichaltrigen unterrichtet. Danach besuchte sie eine ähnliche Förderklasse der Dualen Oberschule (DOS) in Betzdorf.

Im Jugenddorf hieß es vor allem feilen, feilen und nochmal feilen

Ob Rebekka, die eben vom Gitarrenuntericht wiedergekommen ist, gerne dorthin ging? Stolz antwortet sie nur:„Aber ich bin hingegangen.“
Wenn sie aber vom Tanzunterricht und dem Erhalt des Abschlusszeugnisses mit ihrem ansteckenden Lachen erzählt, wird deutlich, wie wichtig die Jahre auf der DOS für sie waren. Aber auch wie schwer sie die darauffolgenden Jahre empfunden haben muss.
Zwei Jahre nahm sie an einem integrativen Förderlehrgang teil. Dort wurden ihr Praktika vermittelt. Dazwischen hieß es dann im Jugenddorf immer wieder: feilen, feilen und noch mal feilen, manchmal Holz, manchmal Metall.

Nachdem sie den Förderlehrgang dann abgeschlossen hatte, hätte Rebekka es auf dem freien Arbeitsmarkt versuchen können. „Aber da hat sie im Prinzip keine Chance“, räumt ihre Mutter ein. Stattdessen vermittelte die Lebenshilfe sie an einen katholischen Kindergarten. Sechs Jahre „durfte“ Rebekka dort „schuften“ für ein Taschengeld, wie es Bettina U. beschreibt. Schließlich musste sie Abschied nehmen.

Rebekka war mit den simplen Arbeiten unterfordert

„Es war echt schwer, danach etwas neues zu finden“, bedauert Bettina U.. Also musste Rebekka zur Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe. „Die haben aber festgestellt, dass sie mit den simplen Arbeiten unterfordert war.“ Mut machte schließlich ein Praktikumsplatz in einem anderen Kindergarten. Aber diese Hoffnung wurde von der Leiterin zerschlagen mit einer „dummen Ausrede“, wie Bettina U. erregt sagt. Angeblich sei der Kindergarten „zu groß“ für Rebekka gewesen. Die Mutter zog wieder in einen Werbefeldzug für ihre Tochter. Und gewann.

Seit über einem Jahr ist sie nun im Kindergarten „Zauberwald“ in Wallmenroth beschäftigt, erst als Praktikantin dann über einen Außenarbeitsplatz der Lebenshilfe. Seit April wird sie nun durch das Programm „Persönliches Budget für Arbeit“ gefördert, verdient 1100 Euro netto und ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Aber auch unabhängig von der neuen finanziellen Wertschätzung: Im „Zauberwald“ ist Rebekka förmlich aufgeblüht, wie ihre Mutter erzählt.
Früher sei sie sehr unsicher gewesen. „Jetzt will sie selbstständig ihre Dinge erledigen“, bringt ihre Bettina U. Rebekkas neues Wesen auf den Punkt.

Und das zeigt sich auch bei ihrer Arbeit im Kindergarten. Mittlerweile haben je fünf Kinder und je eine Erzieherin an drei kleinen Tischen Platz genommen, um ihr Frühstück einzunehmen. An einem Tisch sitzt auch Rebekka. Eben noch fuhr sie den Servierwagen aus der Küche her. Nun erklärt sie ihnen geduldig die Obstsorten, die sie zubereitet hat. Mit einem Lächeln gibt sie dem Mädchen neben ihr die Flasche zurück, die sie für es geöffnet hatte. Als Rebekka die Flasche wieder schließt, sagt das Mädchen: „Nicht so feste drehen.“ Rebekka nimmt es geduldig auf. Es herrscht ansonsten Ruhe im Gruppenraum. Nur ein Junge an Rebekkas Tisch rutscht langsam vom Stuhl runter, in der Hoffnung nicht bemerkt zu werden. Aber Rebekkas Blick entgeht das nicht. Als der Junge schließlich die Tischgruppe mit dickem Grinsen verlässt, bringt sie ihn zurück. Die Kleinen lachen. Rebekka klatscht lachend die Hände zusammen. Alles ist gut.