Maas Attacks!

Provinz und Streetart: Passt das zusammen? Maximilian „Maas“ Steffens aus Betzdorf ist der lebende Beweis dafür. Er hat mehr Spuren in der Heimat hinterlassen als die meisten. Seine Kunst beschränkt sich dabei nicht auf das Besprühen von Wänden.

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„Was hat es nur mit diesem Buch auf sich?“, frage ich mich vor ein paar Jahren auf der Geburtstagsparty eines Bekannten. Am anderen Ende des Raumes sitzt auf einem Sofa ein lässig gekleideter Typ mit markanter Brille – mit einem Buch auf dem Schoß. Um ihn herum hat sich mittlerweile eine kleine Menschentraube gebildet. Und alle starren sie auf die aufgeschlagenen Seiten des Buches. Schon bald gehöre ich zu ihnen und bin gebannt von knalligen Farben und ramponierten Superhelden, rauchenden Affen und grotesk grinsenden Geschöpfen, die sich jeder Beschreibung entziehen – Wesen, die aus einer anderen Welt stammen, aus der „Maas“-Welt. „Maas“, so nennt sich der „Typ“, ein Künstlername.

 
 

Das Buch ist eigentlich sein Zeichenbuch oder korrekter: ein „Blackbook“. Darin fertigen Graffitikünstler ihre Skizzen an. Stopp! Ein Streetartist in unserer Provinz? Richtig gelesen. Tatsächlich ist Maximilian Steffens, das steht in seinem Pass, Betzdorfer durch und durch – genauso wenig wandelndes Kaff-Klischee wie Hip-Hop-Macho. Wer sich mit ihm unterhält, hört sofort, wo er herkommt: typischer Betzdorf-Slang, „dat“, „watt“ oder „sch“ statt „ch“. Auch wenn er sich selbst nicht als Künstler sieht – Maximilian produziert Kunst ohne gekünstelt zu wirken.

Dieser Drang, Dingen seinen eigenen Stempel aufzudrücken, hat sich früh bei ihm ausgebildet. Der Vater hat ihn dabei geprägt. Seine Schreinerei befand sich im Elternhaus von Maximilian. „Die Kreissäge war unsere Einschlafmelodie“, sagt er. Klar, dass er so schon seit klein auf immer getüftelt und sich in der Werkstatt seines alten Herrn ausprobiert hat. Und gemalt hat er sowieso schon immer. Mit zehn Jahren gefällt dem Chef seiner Mutter eine kleine Kritzelei von ihm so gut, dass er gleich eine größere Version in Auftrag gibt. 20 Mark als Lohn waren viel Geld für den Mini-Maas. Was war also naheliegender als eine Ausbildung in der Werbebranche? Das dachte sich Maximilian auch, als sich seine Zeit auf der Dualen Oberschule dem Ende zuneigte. Werbetechniker, das war sein Traumberuf. Aber es hagelte Absagen.

  • Aus dem Blackbook.

    Aus dem Blackbook.

  • Aus dem Blackbook.

    Aus dem Blackbook.

  • Aus dem Blackbook.

    Aus dem Blackbook.

  • Aus dem Blackbook.

    Aus dem Blackbook.

  • Aus dem Blackbook.

    Aus dem Blackbook.

  • Aus dem Blackbook.

    Aus dem Blackbook.

  • Aus dem Blackbook.

    Aus dem Blackbook.

 

Generell lief es nicht rund für den Teenager. „Ich war in einer schwierigen Phase meines Lebens und tat nicht immer das, was die meisten für richtig hielten“, gibt Maximilian heute zu. Um den Alltag  zu entfliehen, ermöglichte ihn sein Vater einen Urlaub mit einer Kirchenfreizeit in Italien. Das sollte sich für Maximilian als Glücksfall erweisen. Denn hier traf er auf einen Mann, der nicht nur das Leben von ihm positiv prägen sollte: Horst Weber, der letztes Jahr viel zu früh verstarb. Er leitete die Freizeit. Horst entdeckte schnell die Qualitäten von Maxiliman. Bei einem Vorfall organisierte er rasch Erste Hilfe und hinterließ Eindruck bei Horst. Die beiden stellten fest, dass sie auf einer Wellenlänge liegen. Über Horst kam Maximilian schließlich zu einem einjährigen Vorpraktikum im Wallmenrother Kindergarten, dessen Chef Horst war. „Er hat mir wirklich sehr unter die Arme gegriffen“, erinnert sich Maximilian. Mit Horst schrieb er Bewerbungen für die zweijährige Schulausbildung zum Erzieher. „Vielleicht wollte er das mehr noch als ich“, sagt Maximilian. Und tatsächlich:

Heute ist er einer der wenigen männlichen Erzieher und bei einem Jugenddorf beschäftigt. In diese Zeit der beruflichen Anfänge wird aus Maximilian auch der Graffiti-Künstler „Maas“. Aber bereits vorher, zwischen 13 und 14, war er angefixt worden. Ausgerechnet auf einem Urlaub in der Norderney, wo er auf die Arbeiten eines Graffiti-Künstlers aufmerksam wurde. Mit 16 ging es dann mit dem Wochendticket nach Berlin, der europäischen Hauptstadt der Graffitikunst, wie er sagt. Dort erwartete ihn sofort eine „Reizüberflutung“. Bereits zu diesem Zeitpunkt reichen ihm Leinwände schon lange nicht mehr. Richtig rein gesteigert hat er sich während dieser Zeit ins Sprayen. Eine Klassenkameradin meckerte: „Immer nur Graffiti, Graffiti, Graffiti! Man hört nichts anderes mehr von dir!“ Abhalten ließ er sich davon natürlich nicht. Es folgt der Kauf des ersten Blackbook: „Das habe ich innerhalb kürzester Zeit vollgeballert.“

 
 

Seine Freunde begriffen seine Faszination und unterstützten ihn. Er hatte immer „Gefolgschaft“, wie er es ausdrückt. Aber er wollte sein Talent an andere weitergeben und nicht im eigenen Saft schmoren. Nach einigen Workshops an Schulen und auf dem Barbarafest folgte die Riverside Jam. 24 Sprayer aus der internationalen Szene, darunter New York oder Venezuela, konnten gewonnen werden, aus einer 170 Meter langen Wand entlang des Siegparkplatzes ein Kunstwerk zu gestalten. Im Zuge dieser Riverside Jam lernte Maas auch Kai „Semor“ Niederhausen kennen, den anderen bekannten Sprayer der Region. „Gerade für mich hier aus dem Kaff ist es wichtig, andere Sprayer kennenzulernen.“

 
 

Tatsächlich ist das Sprayen heute eher in den Hintergrund geraten für Maas. Wände waren ihm schon immer nicht genug. Er ist Bastler geblieben, nun ergänzt um die Fertigkeiten des Graffitikünstlers. Seit ein paar Jahren zeigt sich das an Karneval, auf dem Scheuerfelder Umzug und den Festen. Blickfang ist stets Maas, verkleidet in natürlich selbst gebastelten Kostümen als Captain America oder Iron Man. Nur Eingeweihte wissen, wer sich hinter der Maske verbirgt – Maas-Understatement, das er in diesem Jahr auf die Spitze trieb: als Deadpool, einem maskierten Killer aus den Marvel-Comics. Den wenigsten ist er ein Begriff. Der Charakter hatte zwar mal einen Auftritt in einem der populären Wolverine-Filmen mit Hugh Jackmann, aber hatte kaum etwas zu tun mit dem Comic-Vorbild. Im Gegenteil zu der realen Version von Maas. Für 120 Euro besorgte er sich Material, klebte und schnitt so lange bis er wie aus dem Comic entsprungen aussah. Dass kaum jemand wusste, wen er verkörperte, juckte ihn nicht.

Maas als Deadpool auf dem Scheuerfelder Karnevalsumzug.
Maas als Deadpool auf dem Scheuerfelder Karnevalsumzug.
 
 

Ein Iron-Man-Kostüm? Knapp einem Monat vor Karneval erschien das Maas unmöglich zu realisieren.  

 
 

Die Kostüme in den Jahren vorher wussten die meisten sicher sofort einzuordnen dank der erfolgreichen Verfilmungen. Den Helm für seine Captain-America-Uniform fand er über das Internet in einem alten österreichischen Bestand, den Rest bastelte er sich selbst zusammen. Absoluter Blickfang war er im darauffolgendem Jahr. Ein Kumpel schlug ihm vor, die Rüstung von Iron Man nachzubauen. 

Knapp einem Monat vor Karneval erschien das Maas unmöglich zu realisieren. Und genau deshalb nahm er die Herausforderung an, mit Erfolg. Im Internet fand er keine deutschen Anleitungen und musste sich auf sich selbst verlassen. Dank viel Pappe, Lack, einer Heißklebepistole und Elektrotüftelei wurde er für ein paar Tage zum Mann aus Stahl, oder besser Pappe.

Sein nächstes Kostüm wird in einem eigenen Studio entstehen. Maas hat sich in eine kleine Parzelle der Hallen auf dem Wallmenrother Gewerbegebiet eingemietet. Auch hier wird schnell klar – Maas ist mehr als Sprayer. Zwar sind an einer Wand zig verschiedene Dosen aufgereiht, aber es finden sich auch zusammengebastelte Möbel, Paletten, Bleche und, und, und. Das Studio ist der nächste Schritt in seinem künstlerischem Werdegang. Und was kommt dann? Eigentlich müsste er wegziehen, sagt Maas. Aber dazu ist er zu heimatverbunden. Außerdem will er gerade wegen seinem Können der Region verbunden bleiben.

Daniel Pirker

 
 

Maas vor seinem Atelier in Wallmenroth.

 
 

Fotoquellen: Privatarchiv von Maas, außer Fotos vom Karnevalsumzug in Scheuerfeld (D. Pirker), Maas vor seinem Atelier (D. Pirker) und Maas auf der Riverside Jam (Semor auf Sprühflaschendunst.de) sowie das Titelbild (D. Pirker).